Reisebericht Kungsleden-Tour

Der Motor tuckert leise, kleine Wellen glitzern in der Sonne. Vor ein paar Stunden habe ich noch im Büro gesessen. Jetzt, endlich Urlaub, mein erster längerer seit vielen Jahren. Ich bin ein Büromensch, habe keine Ahnung vom sogenannten Outdoorleben. Und jetzt sitze ich hier in dem kleinen Schiff, auf dem Wasser und bin unterwegs auf dem Kungsleden. Alles geht so schnell, ein richtiges Abenteuer für mich. Ich glaube, ich bin noch nie irgendwo gewesen, wo es keinen Strom gab.

Wir verlassen die kleine Fähre in Saltoluokta, gehen an der Bergstation vorbei und folgen dem Pfad nach Süden. Blauer Himmel, Sonne, ein perfekter Tag.
Das erste Ziel der Trekkingtour ist der See Sitojaure, dort soll es eine Hütte geben, mitten im Gebirge, in der wir unsere erste Nacht verbringen werden. Bin mal gespannt, wie es da aussieht, hoffentlich sind die Betten ok…
Wir wandern durch einen sehr schönen Wald mit alten Kiefern und erreichen das Hochtal. Wunderschön liegt es umrahmt von steilen Bergen, etwas Schnee liegt noch auf einigen Gipfeln. Unfassbar, das habe ich noch nie gesehen, Schnee im Juli.
Wir folgen dem reißenden Fluß, still ist es hier oben und so einsam. Eine Wohltat für die Seele.

Als wir am Abend an der Hütte ankommen, steht die Sonne noch hoch am Himmel. Kaum zu glauben, daß sie nicht untergehen wird. Nach dem Abendessen sitzen wir noch lange vor der Hütte und ich staune immer noch über die Sonne. Es ist wie zur Mittagszeit…

Am nächsten Morgen: meine erste Nacht im Fjäll war sehr erholsam. Das beantwortet auch die Frage zu den Betten. Das Essen ist auch lecker, reichlich, die Hütten sind komfortabel, so kann´s weitergehen.

Mit unserer heutigen Tagesetappe nach Aktse kommen wir dem Highlight dieser Tour endlich nahe. Doch zuvor schwenken wir ein Stück ab vom Kungsleden und laufen an einem wilden Gebirgsfluß entlang. Ein Geheimtipp unseres Guides Clemens: in jedem Jahr hält sich in diesem Gebiet eine riesige Rentierherde auf. Und tatsächlich kommen bald die ersten vereinzelten Tiere in Sicht. Die Herde lässt nicht lange auf sich warten. Wir machen es uns gemütlich und bestaunen die Tiere. Sie sind ganz zutraulich und kommen recht nahe an uns heran. Dabei fressen sie ununterbrochen, der Sommer ist kurz und sie brauchen Energie für den langen Winter.
Ich könnte noch viel länger hier sitzen, aber unser Guide mahnt zum Aufbruch. Langsam führt das Gelände wieder bergab und bevor wir erneut die Baumgrenze erreichen, kommt das Delta des Flusses Rapaädno in Sicht, rechts trohnt der Skierfe mit seiner mächtigen Wand und mitten im Delta steht der kleinere Nammatj, eine beeindruckende Szenerie.

Die Hütten von Aktse liegen auf einer sehr schönen Lichtung, Rapadelta und Skierfe in Sichtweite. Die Wiese ist voller Sauerampfer, den wir mit etwas Olivenöl zu einem leckeren Salat verarbeiten. Der Geschmack macht süchtig. Eine tolle Abwechslung zum Abendessen…

Der nächste Tag: heute steigen wir auf zum Skierfe. Das Wetter ist etwas trüb, aber laut Wetterbericht soll es im Laufe des Vormittags aufklaren. Tatsächlich kommt die Sonne heraus als wir auf dem Gipfel stehen. Der Aufstieg hat etwa 4 Stunden gedauert, nur mit Tagesgepäck.
Das Schöne hier in Lappland ist, daß wir kein Wasser schleppen müssen. Überall gibt es kleine Bäche mit sprudelndem, köstlichen Naß, welches sofort trinkbar ist. Daher hält sich das Gewicht unserer Rucksäcke in Grenzen.

Die Aussicht vom Berg ist der Hammer. Es gibt wohl nicht allzu viele Plätze auf der Erde, die derartig spektakulär sind.
Jetzt verstehe ich, warum diese Region UNESCO-Weltnaturerbe ist.
Zuerst beeindruckt die Steilwand des Skierfe, die mindestens 700 m senkrecht in die Tiefe fällt. Dann sieht man schneebedeckte Berge ringsum, Gletscher, die den mächtigen mäandernden Fluß zu unseren Füßen speisen, er leuchtet in vielen verschiedenen Grün-, Blau- und Grautönen. Und mitten im Fluß steht der kleine Nammatj, wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Einfach atemberaubend…

Gerade als wir wieder zurück sind von unserer Tagestour, sehen wir zwei, drei andere Wanderer zusammen mit dem Hüttenwirt. Der hat ein langes Fernrohr mit Stativ aufgebaut und abwechselnd beobachten sie einen riesigen Elchbullen am anderen Ufer.
Der Elch hat ein großes Schaufelgeweih und stapft in aller Ruhe durch´s Gestrüpp. Hin und wieder bleibt er stehen, schaut sich um und knabbert ein paar Weidentriebe ab. Auch er frißt sich Winterspeck an.

Der nächste Tag beginnt nochmals mit einer kurzen Bootsfahrt. Diesmal am Rapadelta vorbei. Noch einmal sehen wir die beeindruckenden Berge Skierfe und Nammatj. Aus dieser Perspektive sieht die Wand noch mächtiger und unbezwingbar aus.
Am Ufer angekommen machen wir uns wieder auf den Weg, es geht bergauf zum Hochfjäll. Von hier können wir wieder die Berge des Rapadalen sehen und einen der mächtigsten Gletscher dieses Gebietes, den Bårdejiegna.
Kurz vor unserer nächsten Hütte kracht es plötzlich im Wald, ein Elch steht im Gebüsch. Das Tier sieht völlig entspannt aus, es weiß sicher, daß wir harmlos, keine Jäger sind. So lässt er uns Zeit, die Kameras heraus zu holen und ein paar schöne Aufnahmen zu machen. So nah an einen Elch zu kommen, so viel Glück.

Die Zeit verging wie im Flug, und eine Woche Trekking in dieser Landschaft ist wirklich nicht viel. Der letzte Tag ist da, wir wandern vorbei an zwei herrlichen Seen, wo wir noch die Mittagspause genießen können. Wir liegen in der Sonne und blicken auf das glitzernde Wasser, das grünblau in der Sonne glänzt. Kein Lüftchen rührt sich, herrlich, das ist die „völlige Entspannung“. Mein Büro und den Alltag zu Hause hatte ich eh schon am ersten Abend vergessen.

Schon befinden wir uns auf dem Abstieg nach Kvikkjokk, dem Endpunkt der Tour. In der STF-Station, die direkt am Weg liegt, kehren wir ein und genießen ein tolles Essen. Die Burger aus Elchfleisch mit Salat und frittierten Kartoffeln schmecken köstlich. Clemens gibt ein kühles Bier aus. Fantastisch, doch eigentlich hätte ich viel lieber noch ein paar Tage Trekkingnahrung aus der Tüte gegessen…

Plötzlich merke ich, es hat mir nichts gefehlt hier draußen. Nicht der Fernseher, nicht Laptop oder Smartphone, und eigentlich liebe ich mein Smartphone. Keine Steckdosen, keine Lichtschalter, keine Heizung, trotzdem war es herrlich. Kein Streß, keine Hektik, für sich selbst sorgen zu müssen, Wasser holen, Holz machen, einfach unterwegs zu sein und Zeit zu haben, in einer einmalig schönen Landschaft…eine gänzlich neue Erfahrung, unvergesslich.
Ich komme bestimmt wieder, einen besseren Ausgleich zum stressigen Alltag gibt es nicht.
Markus B.

Über den Autor

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Anke
in jungen Jahren Leistungssportler, Kletterer und mittlerweile sommers wie winters in den Bergen Skandinaviens unterwegs. Seit 20 Jahren Outdoor-Guide und „Hundeflüsterer“.

Kommentare

16. Februar 2020
Great content! Super high-quality! Keep it up! :)

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