Paddeln im Herbst – ein Tag auf dem Ivalojoki in Finnland

Noch immer in meinen warmen Schlafsack liegend, öffne ich den Reissverschluss meines Zeltes. Mein Blick bleibt auf meinen Neoprenschuhen haften, die mit Raureif überzogen sind. Es ist ein frostig kalter Morgen. Am liebsten würde ich mich wieder in meinen Schlafsack verkriechen, aber die Vorfreude auf den heutigen Paddeltag, lässt mich aufstehen. Es ist Mitte September und wir wagen uns, als Ausklang der Paddelsaison, noch einmal nach Finnland. Wir haben uns für den Ivalojoki entschieden, das Zentrum des ersten Goldrausches in Finnland und einen der schönsten Paddelflüsse in Nordeuropa. Diesen Fluss im Herbst zu befahren, war eine ganz bewusste Entscheidung. Es sollte eine Reise zur Ruska (finnisch für Indian Summer) werden und wir wurden belohnt mit Herbstfarben, in ihrer ganzen Pracht. Die Natur bot uns ein Schauspiel der Farben, von frischem Grün, über strahlendem Gelb, von dunklem Orange bis zu feurigem Rot – alles einfach atemraubend schön.

Das Feuer, der erste Schritt unserer Morgenroutine, prasselt vor sich hin und wärmt das Wasser für den Kaffee, der unsere Lebensgeister wecken soll.  Zum Frühstück gibt es Bannock-Brot, das wir am Vorabend auf dem Feuer zubereitet haben und eine warme Blaubeer-Preiselbeer-Suppe, aus frisch gepflückten, süssen Beeren. Denn egal wohin man schaut, es ist alles voller Beeren und Pilze. 

Keiner erhebt sich und will das Frühstück beenden, denn wir alle wissen, was uns nun blüht, auch wenn es immer nur ein kurzer Moment des Leidens ist: das Anziehen der feucht-kalten Neoprenkleidung. Zum Glück sind wir Paddler hart im Nehmen.

Die restliche Morgenroutine läuft automatisch und Hand in Hand, Zelt abbauen, Feuer löschen usw. Der Letzte lässt den Blick nochmal über den Lagerplatz schweifen, es ist uns wichtig keine Spuren zu hinterlassen, die Natur hier am Fluss soll noch lange so naturbelassen bleiben. Das Rauschen der ersten Stromschnellen, lässt keinen Zweifel daran, dass wir auch heute unser Gepäck mit Spannriemen am Boot befestigen müssen. Abseits der Zivilisation ist man darauf bedacht, für den Ernstfall gerüstet zu sein. Nur auf einem Teil der 112 km langen Paddelstrecke gibt es Handy-Empfang. Aus diesem Grund, führen wir auch immer einen Notsender (Garmin Inreach) mit uns. Der versorgt uns auch mit dem aktuellen Wetterbericht, ziemlich praktisch. Hinterlasst einen Kommentar, wenn ihr an einem Testbericht, zum Notsender, hier im Blog, interessiert seid. 

Nun hält uns nichts mehr und wir paddeln motiviert los. Kaum haben wir uns für eine Linie entschieden, sind wir auch schon mittendrin, in der Stromschnelle. Eine rassige Schwallstrecke sorgt für Wildwasserfeeling. Im weiteren Verlauf wechseln sich ruhigere Abschnitte, mit Stromschnellen (WW III) ab. Es ist also immer genug Zeit, um kurz durchzuatmen und die Stille und die Natur zu genießen. Immer mal wieder steigen wir aus und rekognoszieren eine Stromschnelle. Wir treideln (ziehen des Kanus an einem Seil) im Zweifelsfall lieber einmal zu viel. Hier draußen wollen wir kein Boot zerlegen oder uns gar verletzen. Im Mittellauf paddeln wir heute durch ein Tal mit Canyon-Charakter, welches mich an die Flüsse in meiner Heimat Schweiz erinnert. Doch hier im Norden Europas ist der Fluss weitestgehend unbebaut und naturbelassen. Man wähnt sich nicht in Finnland, sondern an einem Goldgräber-Fluss in Alaska. Und tatsächlich, immer wieder stößt man am Flussufer auf Spuren aus der Goldgräber-Zeit. Gestelle aus Ästen für eine Sauna beispielsweise, in der Mitte ein Ofen aus Steinen aufgeschichtet ist. Man spannt einfach eine Plane darüber und fertig ist die Sauna. Der endgültige Beweis dafür, dass die Finnen „saunaverrückt“ sind.

Bis heute wird hier Gold geschürft, es gibt noch ein paar wenige Claim`s und einige Leute aus ganz Finnland kommen und verbringen den Sommer am Fluss, auf der Suche nach dem begehrten Edelmetall.

Als die Arme langsam müde werden und der Magen knurrt, halten wir Ausschau, nach einem Lagerplatz. Wo ein Nebenfluss in den Ivalojoki einfließt, finden wir ein idyllisches Plätzchen. Im verlassenen Goldgräbercamp, steht am Flussufer ein Saunagestell. Weil wir eine Dusche wieder mal dringend nötig haben, der Fluss aber ziemlich kalt ist, entschließen wir uns heute zu saunieren. Wir decken das Holzgerüst mit einer Plane ab und heizen den Steinofen ein. Das Saunieren macht hier draußen doppelt Spaß. In gemütlicher Runde lassen wir den Tag am Lagerfeuer ausklingen.

Ein herrlicher Herbsttag geht zu Ende, durch eine unbeschreibliche Landschaft, auf einem einsamen Fluss. Ein unvergessliches Paddelabenteuer. Wir werden wiederkommen, soviel steht fest.

Über den Autor

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Rahel
ihre besondere Liebe gehört dem Winter in der Einsamkeit des Fjälls und dem Canadier-Paddeln, am liebsten auf wilden Flüssen. Ihr Hobby ist seit einigen Jahren auch ihr Beruf, in dem sie besonders das Neue und Unerwartete mag.

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